Bücherstapel

... Meggie betrat die Werkstatt und sah sich um. Die Tür zur Goldkammer stand offen. Eigentlich war es nichts als eine Abstellkammer, aber Meggie hatte den kleinen Raum so getauft, weil ihr Vater dort die wertvollsten Materialien lagerte: das feine Leder, die schönsten Stoffe, marmoriertes Papier,Stempel, mit denen man Goldmuster in weiches Leder drückte ...


... Das Buch lag aufgeschlagen auf dem Lesepult. Es schien nicht besonders alt zu sein. Meggie wusste, wie ein wirklich altes Buch aussah. In Mos Werkstatt hatte sie schon Bücher gesehen, deren Seiten fleckig wie Leopardenfell waren und fast ebenso gelb.
Sie erinnerte sich an eins, dessen Einband von Holzwürmern befallen gewesen war.

Wenn du dann das Buch aufschlägst, ist es wie im Theater: Erst ist da der Vorhang. Du ziehst ihn zur Seite, und die Vorstellung beginnt.

... wenn irgendein Antiquar, ein Büchersammler oder eine Bibliothek einen Buchbinder brauchte und Mo den Auftrag bekam, ein paar wertvolle alte Bücher von Schimmel und Staub zu befreien oder ihnen ein neues Kleid zu schneidern. Meggie fand, dass die Bezeichnung "Buchbinder" Mos Arbeit nicht sonderlich gut beschrieb, deshalb hatte sie ihm vor ein paar Jahren ein Schild für seine Werkstatt gebastelt, auf dem Mortimer Folchart, Bücherarzt stand. ...


Wie winzige Einschusslöcher hatten die Fressspuren ausgesehen, und Mo hatte den Buchblock herausgelöst, die Seiten sorgsam neu zusammengeheftet und ihnen, wie er es nannte, ein neues Kleid geschneidert. So ein Kleid konnte aus Leder sein oder aus Leinen, schlicht oder mit einer Prägung versehen, die Mo mit winzigen Stempeln hineindrückte und manchmal auch vergoldete. ...


aus Cornelia Funke "Tintenherz"

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Papier als Hintergrund